Grundlagen

Recht und Realität

Jetzt erst recht!

»Männer und Frauen sind gleichberechtigt« – bereits seit 1949 ist das Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts im deutschen Grundgesetz verankert. Mit dem Differenzierungsverbot wurden Rechtsnormen beseitigt, die Menschen aufgrund ihrer Geschlechtsmerkmale bevorzugen oder benachteiligen. So weit, so gut. Neben der expliziten Bezugnahme auf das Geschlecht gibt es jedoch auch indirekte, mittelbare Benachteiligungen von Frauen, die sehr viel schwerer zu erkennen und abzuschaffen sind als direkt an das Geschlecht anknüpfende Diskriminierungen. Diese strukturellen Benachteiligungen sind als Normen, Rahmenbedingungen und Verfahren in unsere Gesellschaft eingeschrieben. Sie zeigen sich an Phänomenen wie dem Gender Pay Gap, dem Gender Care Gap oder der Unterrepräsentation von Frauen in Führungspositionen.

Für wirkliche Gleichberechtigung bedarf es also nicht nur einer formalen Gleichbehandlung auf dem Papier, sondern einer Anpassung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Diesen Umstand erkennen auch Verfassung und Gesetzgeber an: Die Verfassungsreform von 1994 verpflichtet in Art. 3 Abs. 2 S. 2 GG den Staat dazu, aktiv die tatsächliche Gleichberechtigung von Frauen und Männern in allen gesellschaftlichen Bereichen durchzusetzen – und trotzdem sind wir, 27 Jahre später, noch lange nicht am Ziel.

In unserem Quiz betrachten wir die Vergangenheit, die Gegenwart und die mögliche Zukunft der Gleichstellung im Recht und werfen einen Blick in die Lücke, die nach wie vor zwischen dem Recht und der Realität klafft.



Gleichstellungs-Quiz

Vergangenheit

Auch wenn es uns heute selbstverständlich vorkommt, dass Frauen wählen und ohne die Erlaubnis ihres Mannes arbeiten dürfen – es war nicht immer so.

Welche Änderungen des Familienrechts wurden durch die Einführung des Gleichberech
­tigungsgebotes ausgelöst?

Bis 1957 galt das Familienrecht des BGB in seiner ursprünglichen Fassung aus dem Jahr 1900. Der darin festgehaltene »Gehorsamsparagraph« gab dem Mann das Recht, in sämtlichen das eheliche Leben betreffenden Angelegenheiten zu entscheiden. Das Gleichberechtigungsgesetz von 1957 beseitigte nur einen Teil der diskriminierenden Vorschriften. Erst mit der Reform des Ehe- und Familienrechts von 1977 wurde auch die sogenannte »Hausfrauenehe« überwunden. Seitdem gibt es in der Ehe keine gesetzlich vorgeschriebene Aufgabenteilung mehr.

Seit wann ist Vergewaltigung in der Ehe in Deutschland strafbar?

Seit dem 04.07.1997. Bis dahin konnte Vergewaltigung in der Ehe nur als Nötigung 
oder Körperverletzung geahndet werden 
und auch dies war nicht immer der Fall. 
Beispielsweise spricht der BGH Karlsruhe in 
einem Urteil 1966 von »ehelichen Pflichten«: 
Es reiche nicht aus, wenn die Ehefrau den 
Sex teilnahmslos geschehen lasse, sie dürfe 
dabei auch nicht Gleichgültigkeit oder Widerwillen zeigen.

Wie viele Väter haben 2020 von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, Elterngeld zu beziehen?

Das Bundeselterngeldgesetz gibt Eltern die Möglichkeit, zwischen 2 und 14 Monaten Elterngeld zu beziehen, wenn sie in Elternzeit gehen. 2020 haben das 462.300 Väter getan – damit war jeder vierte Elterngeldbeziehende männlich. Im Jahr 2015 war es noch jeder fünfte. 2020 bezogen 3 von 4 Vätern allerdings nur für den Mindestzeitraum von 2 Monaten Elterngeld. Zum Vergleich: 62 % der Mütter beantragten das Elterngeld für einen Zeitraum von 10-12 Monaten.

Gleichstellungs-Quiz

Gegenwart

We’ve come a long way. Wie steht es heute um die Chancengleichheit und die rechtlichen Rahmenbedingungen zu ihrer Herstellung?

Welche Instrumente zur Herstellung von Gleichstellung sieht das für die Bundes­verwaltung geltende Bundes­gleichstellungs­gesetz vor?

Neben der Bestellung von Gleichstellungsbeauftragten und der Aufstellung von Gleichstellungsplänen sieht es eine qualifikationsbasierte Entscheidungsquote vor: Frauen sollen in Bereichen, in denen sie unterrepräsentiert sind, bei gleicher Qualifikation bevorzugt berücksichtigt werden – es sei denn es gibt überwiegende schützenswerte Gründe in der Person eines männlichen Mitbewerbers.

Was versteht man laut Antidiskriminierungs­gesetz unter einer mittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts?

Mittelbare Diskriminierungen entstehen durch scheinbar neutrale Regelungen, die bestimmte Gruppen benachteiligen. Eine solche Konstellation könnte z.B. vorliegen, wenn Teilzeitkräfte durch bestimmte Regelungen schlechter gestellt werden als Vollzeitkräfte, wobei die meisten Teilzeitkräfte Frauen sind.

Wo im deutschen Steuerrecht finden sich Hürden für eine Verwirklichung der Gleichstellung von Frauen?

Durch das Ehegattensplitting werden weiterhin Anreize für das nicht mehr der gesellschaftlichen Norm entsprechende Alleinverdienermodell gesetzt, was stereotype Rollenbilder begünstigt. Es wird oft kritisiert, dass die Motivation für eine eigenständige Berufstätigkeit des:der einkommensschwächeren Partner:in – häufig der Ehefrau – dadurch ausgebremst und diese:r in eine wirtschaftliche Abhängigkeit gebracht werde.

Gleichstellungs-Quiz

Zukunft

The future is unwritten. Die Prognosen changieren zwischen Backlash und Hoffnung – wohin wird die Reise der Gleichstellung gehen? Fakt ist: Es gibt immer noch jede Menge zu tun.

Welche politischen Maßnahmen schlägt der Deutsche Frauenrat hinsichtlich sexueller und reproduktiver Rechte vor?

In seinen Forderungen zur Bundestagswahl 2021 fordert der DF die Abschaffung des §219a StGB. Frauen sollen sich uneingeschränkt über legale Schwangerschaftsabbrüche informieren und Ärztin oder Arzt frei wählen können. Auch sollen alle Frauen Zugang zu kostenlosen Verhütungsmitteln erhalten. Aus großen Teilen der Frauenbewegung wird darüber hinaus eine Regelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafgesetzes gefordert, denn bis heute sind Abtreibungen in Deutschland rechtswidrig, aber unter bestimmten Bedingungen (innerhalb der ersten 12 Wochen bei Pflichtberatung und 3 Tagen Bedenkzeit) straffrei.

Der Global-Gender-Gap-Report 2021 errechnete, wann die Gleichstellung von Männern und Frauen weltweit verwirklicht sein könnte. Von wie vielen Jahren sprechen wir?

Der Global-Gender-Gap-Report des Weltwirtschaftsforums untersucht vier verschiedene Gender Gaps: Die wirtschaftliche Teilhabe und Chancengleichheit, das Bildungsniveau, die Gesundheitsversorgung sowie die politische Beteiligung. Das Ergebnis: In 135,6 Jahren könnte die Gleichstellung zwischen Männern und Frauen weltweit erreicht sein. Die Corona-Pandemie wirkte sich in den Jahren 2020 und 2021 verheerend auf die Gleichstellung aus.

Wie viele Unternehmen betrifft das gerade erneuerte Führungspositionen­gesetz?

Aktuell 66 Unternehmen in Deutschland. Das im August 2021 in Kraft getretene FüPoG II sieht u.a. vor, dass börsennotierte und paritätisch mitbestimmte Unternehmen mit mehr als 2.000 Beschäftigten und mehr als drei Personen im Vorstand mindestens ein weibliches Vorstandsmitglied haben müssen. Bislang haben 24 dieser Gesellschaften gar keine Frau im Vorstand.

Weitere Informationen

Die Bundestagswahl steht vor der Tür: Ende September werden frische Allianzen geschmiedet. Wie kann eine geschlechtergerechte Zukunft aussehen? Wer verspricht was und wo geht die Reise hin?

Die folgende Linksammlung beinhaltet verschiedene Informationsangebote, die sich mit der Gleichstellung von Männern und Frauen im Hinblick auf die Bundestagstagswahl 2021 auseinandersetzen.



wahltraut.de/matowahl

frauenrat.de/bundestagswahl-2021

dbb-frauen.de/bundestagswahl-2021/parteien-im-check

wecf.org/de/die-ecofeminist-scorecard-ist-da

medicamondiale.org/bundestagswahl-2021-frauenrechte

berlinererklaerung.de

fidar.de/die-wahlsynopse-zu-den-forderungen-der-berliner-erklaerung

#zeichensetzen
Mehr als Symbolpolitik!

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